Leseprobe – Nick – Die andere Möglichkeit


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EINS

Knapp zwei Wochen waren vergangen seit dem Start der Außerirdischen aus der Andromeda-Galaxis. Nach wie vor war die Menschheit damit beschäftigt, die Spuren der selbst ernannten ›Herren der Galaxis‹ zu beseitigen. Doch es war eines, die Veränderungen von Kan Dor I und seinen Schergen rückgängig zu machen. Die Erinnerungen daran, wie die Menschheit von dem außerirdischen Diktator unterjocht worden war, würden sie jedoch noch lange verfolgen.

Zudem kam, dass Jahre vergehen würden, bis wieder eine große Raumflotte von der Erde aus in die Tiefen des Alls vordringen konnte. Professor Raskins Weigerung, der Abordnung der Außerirdischen im Tausch gegen deren Raumschiffe das Geheimnis des Teleportationsbogens zu überlassen, stellte die Erdregierung vor eine schwierige Aufgabe.

Nick dachte an seinen väterlichen Freund. Er machte ihm für dessen Entscheidung keinen Vorwurf. Im Gegenteil, er konnte die Beweggründe des Wissenschaftlers nur zu gut verstehen. Gedankenversunken lenkte er seinen Turbowagen die Serpentine entlang, die die Klippe an der spanischen Südküste nach oben führte. Ein warmer Wind wehte ihm ins Gesicht. Er war erfüllt von der würzigen Seeluft.

Der Weltraumfahrer trug statt seiner Kombination eine legere Sommerbekleidung. Er holte tief Luft und lehnte sich mit dem linken Arm auf die Seitentür des offenen Wagens. Nach und nach gelang es ihm, sich zu entspannen und die Gedanken hinter sich zu lassen, die ihn die letzten Tage und Wochen beschäftigt hatten.

Nach mehreren Kurven auf der engen Straße kam endlich sein Ziel in Sicht. Nun schlich sich auch ein Lächeln auf seine Lippen. Ein moderner Bungalow ragte von Säulen gestützt über die Klippe – hier war Xutl zu Hause.

Nick hatte seinen Freund seit dem Kampf gegen Kan Dor I nicht mehr gesehen. Der Marsianer war durch eine Energieentladung schwer verletzt worden und musste stationär behandelt werden. Als der Weltraumfahrer von seinem Freund die Nachricht erhalten hatte, dass er als geheilt aus dem Krankenhaus entlassen worden war und gedachte, seine Genesung mit einer Party zu feiern, hatte Nick längst aufgeschobene Urlaubstage eingereicht und keine Sekunde verloren, um nach Spanien aufzubrechen.

Er winkte dem Marsianer zu, der sich lässig gegen eine niedrige Ziegelsteinbrüstung lehnte und den Gruß erwiderte. In der Einfahrt parkte bereits an anderer Wagen.

»Hallo, Nick!«, begrüßte ihn Xutl, nachdem der Turbowagen auf einem freien Platz zum Halten kam. »Miss Lee und Tom sind nur wenige Minuten vor dir eingetroffen.«

»Xutl!«, rief Nick mit einem Lachen aus und sprang aus dem Fahrzeug. »Es freut mich, dich wohlauf wiederzusehen!« Die beiden Männer umarmten sich freundschaftlich und gingen auf die offen stehende Eingangstür des Bungalows zu.

»Professor Raskin hätte ich auch gerne eingeladen. Aber ich habe es nicht gewagt«, meinte der Marsianer auf dem Weg dorthin. »Als Leiter der Bauarbeiten an unseren neuen Raumschiffen hat er bestimmt keinen Sinn und keine Zeit für Partys …«

Schlagartig wurde Nick wieder ernst und sah seinen Freund von der Seite an. »Du weißt also nicht …?«, eröffnete er und stockte.

»Was?«, erwiderte Xutl und runzelte die Stirn.

Sie betraten den Eingangsbereich. Übergangslos umfing sie eine wohltemperierte Luft, die nach der Hitze, die schon jetzt am späten Vormittag herrschte, eine Wohltat war. Nick nahm sie jedoch nur beiläufig wahr. Er schob den Unterkiefer vor.

»Trotz gegenteiliger Versicherungen hat man es ihm übel genommen, dass er das Geheimnis um das Teleportationsgerät nicht lüftet und es der allgemeinen Verwendung zugänglich macht«, erklärte er. »Nun hat das Direktorium ihn von der Leitung des Raumschiffprojektes ausgeschlossen.«

»Aber das ist doch …!«, entfuhr es Xutl. Er beschleunigte seinen Schritt. »Dann will ich sofort …«

Nick legte seinem Freund den Arm auf die Schulter und hielt ihn zurück.

»Lass!«, meinte er und erwiderte den fragenden Blick des Marsianers. »Der Professor ist verbittert. Er hat sich in sein Landhaus zurückgezogen und will vorläufig niemanden sehen. Sogar mich hat er abgewiesen.«

Der Blick des Marsianers verdüsterte sich bei dieser Eröffnung zusehends. Ihm war anzusehen, dass ihm nicht mehr der Sinn nach einer Party stand. Die beiden Männer traten aus der Eingangshalle auf die Terrasse auf der Rückseite des Bungalows, die einen grandiosen Blick auf die See eröffnete. Palmen in dem geschmackvoll gestalteten Garten wehten im Wind. Unter einem Sonnenschirm saßen zwei Personen an einem Tisch und unterhielten sich lachend miteinander.

Als Tom Brucks und Jane Lee sahen, in wessen Begleitung Xutl zu ihnen herüberkam, erhoben sie sich und begrüßten Nick mit einem Glas in der Hand. Die unbeschwerte Stimmung war jedoch rasch verflogen, als der Weltraumfahrer auch ihnen von der ungerechten Behandlung des Wissenschaftlers berichtete, dem die gesamte Menschheit so viel zu verdanken hatte.

»Ich finde es einfach beschämend für unsere Regierung!«, brauste Jane Lee auf. »Ein Mann wie …«

»Meiner Ansicht nach hat die Regierung unter dem Druck der Raumfahrtdirektion gehandelt …«, unterbrach Nick sie, wofür er sich einen bösen Blick aus ihren funkelnden Augen einhandelte. Als die junge Frau merken musste, dass er darauf überhaupt nicht einging, sah sie ihn fragend an.

Nick spielte mit dem Rand seines Glases, an dem er noch nicht einmal genippt hatte. Er blickte in die Ferne, bevor er weitersprach. »… und ich habe daraus auch bereits die Konsequenzen gezogen.«

Nun erst setzte er an und nahm einen Schluck.

»Was willst du damit sagen?«, hakte Tom Brucks mit einem ungeduldigen Drängen in der Stimme nach.

Nick bedachte seinen langjährigen Freund mit einem undeutbaren Blick.

»Das Gesuch für meine Entlassung aus dem Staatsdienst ist bereits unterwegs«, erklärte er ganz nebenbei.

Tom sah ihn mit offen stehendem Mund an und fand keine Worte.

»Was?!«, stieß Xutl aus und beugte sich vor. Er musterte Nick, als frage er sich, ob er einen schlechten Scherz gehört habe.

Nur um Jane Lees Lippen legte sich ein Lächeln. »Also, ich finde das wunderbar!«, erwiderte sie. Der Weltraumfahrer sah sie verblüfft an. Ihr Lächeln wurde noch breiter. Sie legte eine Fingerspitze ans Kinn. »Dann engagiere ich Sie!«

Nun war es an Nick, einen verdutzten Gesichtsausdruck aufzusetzen. Jane Lee konnte bei dem Blick ein Lachen nicht unterdrücken.

»Miss Lee!«, brachte Tom Brucks hervor.

Die junge Frau sah die drei Männer schelmisch an. »Ich habe meine Diamanten zurückerhalten. Kan Dors Leute hatten das Schiff zum Glück entladen lassen, bevor es zerstört wurde. Und, ja …«, sie zuckte mit den Schultern, als wollte sie sich entschuldigen, »… bereits ein Raumschiff in Auftrag gegeben. Ein Raumschiff, das speziell für den Tierfang auf anderen Planeten eingerichtet wird.«

Sie genoss die verblüfften Blicke auf den Gesichtern der Männer und erhob sich, als würde sie am liebsten umgehend zu ihrer ersten Expedition aufbrechen wollen.

»Sie, Nick, werden das Kommando übernehmen!«, richtete sie sich an den Weltraumfahrer. Sie senkte die Augen für einen Moment, bevor sie ihn wieder ansah. »Das heißt natürlich nur, wenn Sie wollen.«

Nick schmunzelte. Jane Lees burschikose Art war entwaffnend. Wie konnte er da ›nein‹ sagen?

»Darüber ließe sich reden«, antwortete er betont langsam und nickte.

»Es könnte auch nichts schaden, wenn Sie einen erfahrenen Xeno-Biologen in Ihrem Team hätten«, beeilte sich Tom Brucks zu erwähnen.

»Nicht zu vergessen einen guten Astro-Ingenieur«, fügte Xutl mit einem breiten Grinsen an.

Sie alle sahen sich an, lachten auf und prosteten sich zu.

 

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