Leseprobe – Sigurd – Der ritterliche Held


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EINS

Voller Vorfreude auf die bevorstehenden Wettkämpfe spazierte Sigurd an den Tribünen entlang. Noch waren sie menschenleer, doch schon am nächsten Tag würden sich die Zuschauer auf den Sitzbänken drängen. Vor seinem geistigen Auge sah er die jubelnde Menge, ein Bild, das er vom Vorjahr noch deutlich in Erinnerung hatte. Es hieß, sein erstes Turnier vergäße man nie. In Sigurds Fall zumindest traf das zu. Er erinnerte sich lebhaft an jeden einzelnen Gegner, gegen den er angetreten war, und an sämtliche Kämpfe, die er ausnahmslos siegreich bestritten hatte.

Er blieb vor der festlich geschmückten Haupttribüne stehen. In ihrer Mitte würde sein Vater Eckbert von Eckbertstein sitzen und den Turniersieger küren, so wie er es seit vielen Jahren tat, eingerahmt zwischen seinen Töchtern, Sigurds Schwestern Adelheid und Hildegard. Im Vorjahr war Eckbert nicht weniger erstaunt gewesen als alle anderen, ausgerechnet seinen eigenen Sohn krönen zu dürfen. Und morgen, was würde morgen sein? Sigurd lächelte still in sich hinein. Schon seit Tagen umfing ihn eine sich langsam steigernde Aufregung. Er fieberte dem Beginn des diesjährigen Turniers entgegen.

Der hochgewachsene, blonde Jüngling löste sich vom Anblick der leeren Tribüne und wanderte weiter. Vielfältige Gerüche schlugen ihm entgegen. Abseits des Kampfplatzes boten Händler ihre Waren feil. Über einem Feuer briet eine Sau, und der Wein floss in Strömen. In extra für diesen Anlass errichteten Stallungen wieherten Pferde. In der Burg selbst gab es keine ausreichenden Unterbringungsmöglichkeiten für die vielen Tiere.

Händeklatschen und Anfeuerungsrufe erregten Sigurds Aufmerksamkeit. Das Volk verlustierte sich mit den Darbietungen fahrender Künstler. Überall dort, wo Gaukler ihre Kunststücke zum Besten gaben, bildeten sich kleine Zuschauergruppen, die nicht mit Applaus sparten. Schon als Kind hatte Sigurd das bunte Treiben genossen, damals noch völlig unbedarft und mit staunenden großen Augen. Heute kamen viele Besucher auch deshalb, um seine Fertigkeiten als Wettkampfrecke zu sehen.

Er begab sich zum Zelt des Turnierhauptmanns, wo noch immer weitere Ritter eintrafen. Auf dem sich dahinter erstreckenden Feld reihten sich deren Zelte und die ihres Gefolges. Die Zahl von Sigurds Konkurrenten übertraf die des Vorjahres deutlich, doch das sorgte den Junker nicht. Zwar wollte er das von seinem Vater Eckbert veranstaltete Turnier erneut gewinnen, doch bereitete es ihm auch keine Probleme, einem besseren Kämpfer den Sieg zu überlassen, wenn sich dieser als würdig erwies.

Soeben meldeten sich zwei stattliche Ritter beim Turnierhauptmann an. Sigurd kannte sie nicht. Am Vorjahresturnier hatten sie nicht teilgenommen. Er wartete, bis sie die Formalitäten hinter sich gebracht hatten, dann gesellte er sich zu ihnen, um sie zu begrüßen.

*

Der Spätsommer war angebrochen. Für diese Jahreszeit herrschten außergewöhnlich warme Temperaturen. Kein Lüftchen regte sich. In einem menschenleeren Landstrich lag nur das Summen von Insekten in der Luft, und ab und zu drangen Tierlaute aus dem Wald auf die Lichtung hinaus, auf der sich zwei knochentrockene Landstraßen zu einer vereinigten.

Eines Mittags, die Sonne hatte noch nicht den höchsten Stand erreicht, wurde die Idylle jäh gestört. Der Hufschlag zahlreicher Pferde, welche die Ausdünstungen eines langen Ritts mit sich trugen, ließ die Waldtiere verstummen. Es war reiner Zufall, dass sich zwei Ritter mit ihrem jeweiligen Gefolge ausgerechnet an jener Stelle trafen, von wo aus die einzelne Straße in Richtung der Burg Eckbertstein weiterführte. Einen noch größeren Zufall stellte der Umstand dar, dass es sich bei den beiden Rittern Mathes von Waldbrunn und Veit von Vogelberg um alte Freunde handelte, die sich lange nicht gesehen hatten. Entsprechend freudig fiel die Begrüßung aus.

»Wohin des Wegs, werter Mathes?«, erkundigte sich Ritter Vogelberg.

Der Angesprochene lachte vergnügt. »Sicher könnt Ihr es Euch denken, Veit. Da diese Straße zu nur einer zivilisierten Stätte führt, nehme ich an, dass unser Ziel das Gleiche ist.«

»Burg Eckbertstein.«

»Eben jene«, bestätigte Ritter Waldbrunn. »Lasst uns rasch die Reise fortsetzen. Die Hitze trocknet mir die Kehle aus. Ich kann es kaum erwarten, den Wein des Gastgebers zu kosten.«

»Seit wann kostet Ihr nur, mein lieber Mathes?«, wagte von Vogelberg einen derben Scherz. »Ich kenne Euch anders.«

»So wie ich Euch. Umso angenehmer ist mir Eure Begleitung.«

Die beiden Ritter setzten sich an die Spitze des nunmehr gemeinsamen Zuges. Eine weitere Reitstunde lag vor ihnen. Mathes von Waldbrunn nahm das Gespräch wieder auf.

»Die Kunde von Eckberts Sohn Sigurd ist also auch bis zu Euch durchgedrungen. Es heißt, beim Turnier im vergangenen Jahr habe er alle Gegner besiegt.«

»Die Gerüchte übertreiben nicht. Selbst die erfahrensten Kämpfer hob der junge Sigurd aus dem Sattel. Dabei ist er kaum den Kinderschuhen entwachsen, wie mir ein Augenzeuge berichtete. In diesem Jahr wollen sich nun alle mit ihm messen.«

Was erstaunlich war, denn das Turnier am Eckbertstein hatte viele Jahre als unbedeutend gegolten. Sigurds Triumph im Vorjahr hatte dies jedoch gründlich geändert. Jeder war nun begierig darauf, gegen den siegreichen Junker anzutreten. Auf einmal genoss Burg Eckbertstein bei den von einem Turnier zum nächsten ziehenden Edelleuten einen ausgezeichneten Ruf.

»Ihr wollt Eckberts Sohn besiegen, nehme ich an?«, fragte von Waldbrunn lauernd.

Von Vogelberg nickte lächelnd. »Andernfalls hätte ich nicht die weite Anreise auf mich genommen. Ich gebe zu, ich bin gespannt auf diesen Jüngling, der seit seinem Turniersieg im vergangenen Jahr in aller Munde ist. Natürlich hatte er dabei einen großen Vorteil.«

»Und welchen?«

»Er musste nicht gegen mich antreten. Diesmal ist das anders.«

Waldbrunn lachte donnernd. »Ihr seid sehr von Euch überzeugt, mein lieber Veit.«

»Wer wäre das nicht, dem es zweimal hintereinander gelungen ist, den legendären Mathes von Waldbrunn in den Dreck des Turnierplatzes zu schicken.«

Der Genannte verzog das Gesicht, als habe er in eine Zitrone gebissen. »Und wenn schon! Schnee von gestern. Ein drittes Mal wird Euch ein solches Kunststück nicht gelingen. Solltet Ihr im Turnier frühzeitig gegen Sigurd antreten müssen, bleibt Euch vielleicht sogar die Schmach erspart, durch meine Hand Staub schlucken zu müssen.«

»Immer noch der alte Aufschneider.« Veit von Vogelberg schlug sich vergnügt auf die Schenkel. »Aber keine Sorge, alter Freund. Ich werde den Teufel tun und Euch und Eure Fertigkeiten auf die leichte Schulter nehmen.«

Dieses Kompliment gab Mathes von Waldbrunn aufrichtig zurück. Die Freunde unterhielten sich noch eine Weile, bis nach einer Stunde der Eckbertstein in Sicht kam. Die Burg erhob sich auf einer Anhöhe, an deren Fuß der Turnierplatz lag. Die beiden Ritter stellten fest, dass sie spät eintrafen. Rings um den Platz herrschte das bunte Treiben eines Jahrmarktes. Sie begaben sich auf direktem Weg zum Turnierhauptmann, um sich als Teilnehmer anzumelden.

*

Sigurd begrüßte die Neuankömmlinge und stellte sich vor. »Ich heiße Euch in meinem und im Namen meines Vaters Eckbert von Eckbertstein willkommen.«

»Ich bin Ritter Veit von Vogelberg«, erwiderte der Kleinere der Beiden, »und dieser prächtige Bursche neben mir ist Ritter Mathes von Waldbrunn. Es ist uns eine Ehre, am Turnier Eures Vaters teilnehmen zu dürfen, Junker.«

»Zudem ist es eine Freude, gegen den Sieger des Vorjahres antreten zu können«, fügte Waldbrunn mit einem herausfordernden Grinsen hinzu.

»Und mir ist es Freude und Ehre zugleich, Euch als unsere Gäste zu begrüßen.« Sigurd reichte den Männern die Hand. »Eure Namen sind mir wohlbekannt, auch wenn wir uns bisher noch nicht persönlich begegneten.«

»Wie es aussieht, ändert sich dies nun gründlich«, sagte Waldbrunn.

»Sowohl neben als auch auf dem Feld der Ehre.« Veit von Vogelberg klopfte dem Größeren auf die Schulter. »Mein Freund Mathes kann es nämlich nicht erwarten, sich auf dem Feld mit Euch zu messen.«

Ritter Waldbrunn machte eine wegwerfende Handbewegung. »Hört nicht auf Veit, Junker Sigurd. Mir ist es gleich, ob ich zuerst ihn oder Euch aus dem Sattel befördere.«

Die beiden Ritter lachten, und Sigurd fiel in ihr Lachen ein. Sie gefielen ihm auf Anhieb. Ihre offen zur Schau getragene Großspurigkeit beinhaltete einen deutlich erkennbaren Anflug von Schalk. Sigurd hielt sich für einen guten Menschenkenner, und in ihren Gesichtern konnte er lesen, dass sie in ähnlichen Bahnen dachten wie er selbst. Zwar war ein jeder von ihnen begierig darauf, das Turnier zu seinen Gunsten zu entscheiden. Es tat ihrer Laune jedoch keinen Abbruch, wenn sich ihnen ein besserer Kämpfer als überlegen erwies.

»Ich freue mich auf einen ritterlichen Kampf.«

»Auf dass der Bessere gewinnen möge«, sagte Waldbrunn.

Vogelberg nickte. »Diesen Wünschen schließe ich mich an.«

»Gut gesprochen. Ihr werdet es mir also nicht übelnehmen, wenn Ihr in mir Euren Lehrmeister findet, Ritter«, äußerte Sigurd trocken.

Ihre Mienen verhärteten sich, und sie starrten ihn aus großen Augen an. Eine ziemliche Dreistigkeit für solch einen jungen Burschen! Einige Sekunden vergingen, bis sie begriffen, dass diesmal der Junker einen nicht ganz ernstgemeinten Spruch führte. Ein Lächeln umspielte Veit von Vogelbergs Mundwinkel.

»Schneid hat der Jüngling, das muss ihm der Mut lassen. Nun denn, Junker Sigurd, ich sehe dem erwartungsvoll entgegen, wie Ihr Euren Worten Taten folgen lasst.«

Ihr Gespräch wurde unterbrochen, als sich ein schwarzhaariger Mann mit buschigem Schnauzbart näherte. Seine schwarze Rüstung glänzte im Sonnenlicht. Ohne die Versammelten eines Blickes zu würdigen, stapfte er an ihnen vorbei zum Turnierhauptmann, um sich anzumelden. Anschließend drehte er sich zu ihnen um und betrachtete sie der Reihe nach. In seinem wie aus Stein gemeißelten Gesicht zeigte sich keine Regung.

»Ich bin Junker Sigurd von Eckbertstein und heiße Euch zum Turnier willkommen.« Sigurd wollte auch seine neuen Bekannten vorstellen, doch dazu kam er nicht.

Der Schwarzhaarige starrte ihn finster an. »Ich weiß, wer du bist. Im vergangenen Jahr gewannst du deines Vaters Turnier. Rechne jedoch nicht damit, deinen Triumph zu wiederholen. Meine Antwort auf deinen gönnerhaften Willkommensgruß erhältst du auf dem Kampfplatz.«

Ohne eine Erwiderung abzuwarten, entfernte sich der Fremde mit schnellen Schritten. Verwundert blickte Sigurd ihm hinterher. Er konnte sich die brüske Ablehnung des Schwarzgerüsteten nicht erklären.

»Fürwahr ein sympathischer Zeitgenosse«, stellte Veit von Vogelberg fest. »Kennt Ihr ihn, Mathes?«

Von Waldbrunn verneinte. »Wie denn auch, wenn er seine Vorstellung schuldig bleibt. Ist Euch der Bursche bekannt, Junker Sigurd?«

Der Jüngling schüttelte den Kopf. Er blies sich eine blonde Haartolle aus der Stirn.

»Man nennt ihn den Schwarzen Bodo«, schaltete sich der Hauptmann in das Gespräch ein. »Er ist ein Junker wie Ihr es seid, Sigurd, doch von gegenteiligem Charakter. Ich hörte von ihm. Er gilt als berüchtigter Turnierkämpfer. Man sagt, ihm sei jedes Mittel recht, um bei einem Turnier zu gewinnen.«

Die beiden Ritter nickten. Nun, da sie den Namen Schwarzer Bodo vernahmen, erinnerten sie sich an ihn. Sie bestätigten die Aussage des Hauptmanns. Bodo wurde von jedem Gegner gefürchtet, und Freunde besaß er keine. Angeblich handelte es sich um einen durch und durch boshaften Kämpfer, dem die Ehre nicht viel galt. Sein Auftreten schien diese Einschätzung zu bestätigen, doch Sigurd zögerte, sich ihr anzuschließen. Ja, Bodo hatte ihn durchaus verbal brüskiert und ihn wie einen dummen Jungen stehen lassen, doch in den Augen des Schwarzen hatte Sigurd noch etwas anderes gelesen, das sich schwer beschreiben ließ. Da war nicht nur Boshaftigkeit, sondern eine tiefe Verbitterung, deren Ursache ihm verborgen blieb.

*

Eine Weile noch setzte Sigurd seinen Spaziergang fort. Immer wieder winkten ihm Bekannte zu, die ihm einen erfolgreichen Turnierverlauf wünschten. Er freute sich über den Zuspruch, wenngleich ihm der Zwischenfall mit dem Schwarzen Bodo nicht aus dem Kopf ging. Dies geschah jedoch schlagartig, als er eine Gesandtschaft auf die Burg zureiten sah. In Sigurd schrillte ein Alarm, denn er erkannte das Wappen König Neithard von Morlands.

Neithard von Morland, dessen Land im Osten an das Land von Sigurds eigenem König grenzte. Neithard von Morland, der nicht als Freund derer von Eckbertstein galt. Zwischen ihm und Eckbert herrschte sogar Feindschaft.

Sigurds Überlegungen überschlugen sich, als er loslief, um den Reitern ins Innere der Burg zu folgen. Einst hatte Eckbert einen Überfall von Neithards Vater zurückgeschlagen. Seitdem schwelte eine dauerhafte Glut zwischen beiden Familien. Dass Neithards Gesandte einen Tag vor Turnierbeginn im Eckbertstein auftauchten, hatte sicher nichts Gutes zu bedeuten.

Sigurd hetzte die Anhöhe hinauf und folgte den Berittenen. Es gelang ihm nicht, sie einzuholen. Als er die gesenkte Zugbrücke erreichte, war die Hälfte der Besucher bereits in der Burg verschwunden. Die Torwachen hatten sie passieren lassen. Natürlich, denn einer königlichen Gesandtschaft verwehrte man nicht die Gastfreundschaft. Die restlichen standen im Hof in einer Gruppe beisammen und kümmerten sich um die Pferde. Sie machten einen friedfertigen Eindruck und grüßten Sigurd sogar. Die Geste trug jedoch nicht dazu bei, sein Misstrauen zu zerstreuen. Er lief weiter ins Hauptgebäude, wo er auf seinen Vater und einige von dessen Männern traf. Eckbert schaute ihm lächelnd entgegen.

»Wir haben Besuch, mein Sohn.«

»Das habe ich bereits mitbekommen, Vater.« Sigurd behielt die Etikette bei. »Welchem Umstand verdanken wir diese Ehre?«

»Ritter Ulrych und Ritter Barthel«, Eckbert deutete auf zwei der Besucher, »suchen mich in offizieller Mission auf. Sie boten mir gerade im Namen Neithard von Morlands Versöhnung an.«

»Es ist wahr, Junker Sigurd«, bestätigte Ulrych. »Unserem Herrn ist daran gelegen, den Streit ein- für allemal zu beenden. Was in der Vergangenheit geschah, soll endlich ruhen.«

»Es freut mich, das zu hören.« Sinnend betrachtete Sigurd die Gesandten. »Wir rechneten nicht mit einem solchen Sinneswandel. Wie kam es zu dieser Meinungsänderung?«

»Unser Herr trug sie schon lange mit sich herum«, eröffnete Barthel. »Doch er sah ein gewisses Misstrauen voraus, nicht verwunderlich nach all den Jahren der Feindschaft. Daher suchte er nach einer Möglichkeit, die neue Freundschaft zwischen beiden Häusern offiziell zu besiegeln. Es soll eine Geste von solcher Eindringlichkeit sein, dass kein Mensch im ganzen Land sie anzuzweifeln vermag.«

»Neithard hat also eine solche Möglichkeit gefunden, wenn ich Euch recht verstehe?«, erkundigte sich Eckbert.

»Das hat unser Herr tatsächlich.« Ulrych neigte den Kopf. Ein Lächeln umflorte seine Lippen.

»Und welche?« Sigurd wurde nicht recht schlau aus dem unerwarteten Zusammentreffen. Eine angespannte Stimmung lag in der Luft, trotz des angeblichen Friedensangebots und der Freundlichkeit der Gesandten. Die ganze Szenerie kam ihm unwirklich vor. Oder bildete er sich das nur ein, weil er Neithard von Morland nicht traute?

Ulrych wandte sich an den Burgherrn. »Unser Herr ersucht um die Hand Eurer älteren Tochter Adelheid. Eine symbolträchtige Vermählung würde den Frieden und die Verbundenheit zwischen beiden Häusern für alle Zeiten sichern.«

»Adelheid?«, entfuhr es Sigurd. »Ganz ausgeschlossen.«

»Wie bitte?« Barthel musterte den Jüngling mit Strenge. »Erklärt das, Junker.«

Anstelle Sigurds antwortete Eckbert. »Wie mein Sohn bedaure auch ich, das ehrenvolle Gesuch Eures Herrn ablehnen zu müssen, aber Adelheid ist seit langem Graf Kronberg versprochen. Dies ist allgemein bekannt. Es wundert mich, dass Euer Herr keine Kenntnis von diesem Arrangement besitzt.«

Neithards Gesandte sahen sich an, ihre Mienen versteinerten. In der Halle schien die Temperatur um einige Grad zu sinken.

»Dennoch biete ich Eurem Herrn meine Freundschaft an«, beeilte sich Eckbert zu sagen. »Wie Ihr eben so richtig betontet, soll in der Vergangenheit bleiben, was einst geschah, und keinen Schatten auf die Zukunft werfen.«

»Ihr Narr!«, entgegnete Ulrych brüsk. Seine Wangenknochen traten hervor. »Ihr stoßt uns vor den Kopf und sprecht von Freundschaft? Wie könnt Ihr es wagen, das großzügige Angebot unseren Herrn abschlägig zu bescheiden? Euer Hochmut ist eine tödliche Beleidigung, die nicht unbeantwortet bleiben kann.«

Barthel entledigte sich eines Handschuhs und schleuderte ihn Eckbert entgegen. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehten sich die Gesandten um und eilten aus dem Saal. Der Burgherr und sein Sohn folgten ihnen ins Freie, wo sie Zeuge des Aufbruchs der gesamten Gesandtschaft wurden.

»Der Fehdehandschuh.« Sigurd deutete über die Schulter. »Das verheißt nichts Gutes, Vater.«

»Ganz im Gegenteil, es verheißt Krieg.«

»Das fürchte ich auch. Wir müssen Vorbereitungen treffen.«

»Das werden wir«, kündigte Eckbert an, »doch zunächst bewahren wir kühlen Kopf. Zum Glück lässt sich ein Krieg nicht von heute auf morgen vom Zaun brechen. Zunächst einmal müssen die Boten heimkehren, und dann braucht Neithard Zeit, um ein Heer auszurüsten. Uns bleiben also noch einige Wochen, um unsererseits zu rüsten und die Verteidigung zu organisieren. Deshalb soll das Turnier wie geplant stattfinden. Anschließend bleibt uns noch genug Zeit, um die erforderlichen Maßnahmen in die Wege zu leiten.«

Der Herr vom Eckbertstein ahnte nicht, wie sehr er sich irrte.

*

»Der alte Narr hat tatsächlich so reagiert, wie unser Herr es voraussah«, sagte Ulrych verächtlich.

»Wie auch anders hätte er handeln sollen, da seine Tochter Adelheid Graf Kronberg versprochen ist?«, fragte Barthel, voll der Häme. »Dieses Versprechen konnte er schließlich nicht rückgängig machen.«

»Vielleicht täte er es, wenn er wüsste, was ihm bevorsteht.«

Barthel winkte ab. »Das glaube ich nicht. Er verliert lieber den Kopf, als seine Prinzipien zu brechen.«

»Und die Köpfe all derer, die ihm beistehen, selbst den seines Sohnes.« Ulrych lachte donnernd. »Meinetwegen, an mir soll es nicht liegen.«

Burg Eckbertstein lag hinter den Gesandten, die ohne große Eile ostwärts ritten. Vor ihnen lag kein weiter Weg, da ihr Ziel nicht das Land Neithard von Morlands war. Natürlich kannte Neithard die getroffene Vereinbarung um Adelheids Hand. Er wusste schon seit längerem, dass Eckberts ältere Tochter vergeben war, doch bedauerte er dies nicht. Weder lag ihm etwas an der jungen Frau noch an einem Bund zur Sicherstellung des Friedens zwischen beiden Häusern. Das Gegenteil war der Fall. Er hatte die Niederlage seines Vaters nicht vergessen. Vergeben hatte er die Schmach schon gar nicht, und das würde auch niemals geschehen. Neithard sann auf Rache, und die Zeit war gekommen, sie mit dem Blut derer von Eckbertstein zu stillen. Die durch seine Boten vorgetragene Bewerbung sollte ihm bloß den offensichtlichen Grund zur Fehde liefern.

»Und nun geht der alte Narr Eckbert davon aus, dass unser Herr erst noch eine Streitmacht aufstellen muss, um gegen ihn zu Felde ziehen zu können«, spekulierte Barthel.

»Je länger er sich und die seinen in Sicherheit wiegt, desto unvorbereiteter wird ihn unser Angriff treffen«, frohlockte Ulrych. »Wenn er begreift, was die Stunde schlägt, wird es bereits zu spät sein.«

Ein starkes Heer lauerte bereits ganz in der Nähe in einem verborgenen Talkessel, aufgerüstet und kampfbereit. Es wartete nur noch auf den Marschbefehl, um von Eckbertstein anzugreifen. Angeführt wurden die Söldnertruppen von keinem Geringerem als dem berüchtigten Heerführer Raos.

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