Leseprobe – Sein erster Einsatz


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Kapitel 1

Im Zimmer des Hotels versuchte der Deckenventilator vergeblich, gegen die Hitze anzukommen. Während der weiße Mann sich immer wieder mit einem Taschentuch den Schweiß aus dem geröteten Gesicht und dem Nacken entfernte, ertrug der Afrikaner mit den Pockennarben die Temperatur stoisch gelassen.

»Siebenhunderttausend sind ein guter Preis. Sie haben die Waffen, und ich mein Geld. Nur eine Sache fehlt noch«, grollte der schwarze Riese, und ein lüsterner Ausdruck trat in seine rot geränderten Augen.

Devlin nickte nur und stand auf. Er ging zu einer Tür, die in einen Nebenraum führte. Der große Afrikaner folgte ihm erstaunlich flink und schaute dem kleiner gewachsenen Amerikaner über die Schulter. Als Devlin die Tür öffnete, wurde ein schmales Bett sichtbar. Erregt musterte der afrikanische Waffenhändler die schlanke Mädchengestalt, die mit halb geschlossenen Augen vor sich hindämmerte.

»Ist sie auf Droge?«, fragte der Pockennarbige misstrauisch.

»Nein. Sie hat nur ein Sedativum erhalten, damit sie nicht zu widerspenstig ist«, räumte Devlin schnell diesen Verdacht aus, da er die Angst seines Geschäftspartners vor HIV bestens kannte.

Wenige Minuten später trug einer der Leibwächter des Waffenhändlers die weiterhin vor sich hindämmernde Gestalt zu einem Geländewagen. Er legte das Mädchen von höchstens dreizehn oder vierzehn Jahren auf die Rücksitzbank, bevor er sich hinter das Lenkrad des Range Rovers klemmte. Der Waffenhändler aus dem Kongo stieg in den anderen schwarzen Geländewagen, und dann raste die kleine Kolonne davon. Devlin sah ihnen hinterher, dann spuckte er in den rötlichen Staub.

 

»Guter Job, Lindy«, lobte Chester seine Kopilotin über das interne Sprechfunknetz des Apache Kampfhubschraubers.

1st Lieutenant Chester McKay befand sich auf dem Rückflug in seinem Kampfhubschrauber des Typs WAH-64D Longbow Apache. Zusammen mit 2nd Lieutenant Lindsey Wagner bildete er eine gut eingespielte Einheit, wie ihr heutiger Übungseinsatz bewiesen hatte. Während zwei andere Kampfhubschrauber des gleichen Typs als ihre »Gegner« vergeblich die Sicherung einer Panzereinheit versucht hatten, hatten Chester und Lindsey alle sechs Tanks ausgeschaltet.

»Danke, Chess. Schätze, wir sind so weit«, kam die stolze Antwort von vorne, wo der Kopilot und Waffensystemoffizier seinen Platz hatte.

»Yeah«, bestätigte Chester gelassen.

Damit spielte Lindsey auf den bevorstehenden Einsatz im Rahmen der Operation Enduring Freedom in Afghanistan an. Genau dort sollten sie hin, und es war ein Wunscheinsatz für Chester. Bereits als Army Ranger hatte er eine Dienstzeit dort im Bodeneinsatz verbracht, bevor seine Aufnahme in die Pilotenausbildung der Army erfolgt war. Jetzt kehrte er in seiner Wunschverwendung als Pilot eines Kampfhubschraubers dorthin zurück.

»He, was läuft denn da ab?«, erklang Lindseys aufgeregte Stimme.

Chester ließ blitzschnell seinen Blick über die verschiedenen Instrumente wandern, konnte aber nichts Ungewöhnliches erkennen. Alle Anzeigen waren normal.

»Was liegt an, Lindy?«, fragte er nach.

Er erhielt keine Antwort, daher schaute er nach vorne. Chester konnte über Lindseys schmale Schultern sehen und erkannte, dass sie den Polizeifunk abhörte. Ihre Nackenmuskeln wirkten angespannt, und sofort schaltete Chester auf den gleichen Kanal. Aufgeregte Stimmen füllten gleich darauf seine Kopfhörer aus.

 

»Verflucht, Sheriff! Die Kerle haben Maschinengewehre mit Granatwerfern«, stöhnte Deputy Bill Thorb fassungslos auf.

Sheriff Donovan, der grauhaarige Gesetzeshüter aus Riverton, nickte nur bestätigend. Er kauerte in Deckung hinter der mächtigen Motorhaube des Chevrolet Blazer. Vor zehn Minuten hatte der Wahnsinn seinen Anfang genommen, als Bill den zu schnell fahrenden BMW angehalten hatte. Eigentlich hatte der junge Deputy dem Fahrer nur eine Verwarnung erteilen wollen, da seine Fahrt ausgerechnet an der Elementary School von Riverton in Wyoming vorbeiführte. Kaum hatte er jedoch die rotblauen Signallampen am Dienstwagen eingeschaltet, beschleunigte der BMW weiter, und dann krachten die ersten Schüsse. Bevor Bill überhaupt kapierte, was gerade passierte, tauchte ein weiterer BMW auf, und der Lauf einer M-16 erschien im Seitenfenster über der Rückbank. Bill schaffte es gerade noch, den Streifenwagen zu verlassen, bevor eine Reihe von Kugeln die Scheiben zertrümmerte. Über Funk setzte er die Meldung ab und befand sich unvermittelt in seiner ersten richtigen Schießerei. Das lag erst sieben oder acht Minuten zurück, und jetzt versuchten sie zu dritt, gegen die schießwütigen Männer aus den beiden BMWs anzukommen.

»Wir brauchen weitere Verstärkung!«, hatte Sheriff Donovan entschieden und über Funk die Kollegen aus Casper um Unterstützung gebeten.

Er schaffte es gerade noch, den dringenden Ruf abzusetzen, als die erste Granate knapp an dem Dienstwagen vorbeiflog und in einen geparkten Wagen einschlug. Der japanische Kleinwagen wurde von der Wucht der Explosion ein Stück hochgehoben und völlig zerstört.

»Oh, verdammt! Die Kerle bewegen sich in Richtung Schule. Wenn sie es dorthin schaffen, haben sie fast hundert Kinder als Geiseln«, rief der Sheriff entsetzt aus.

Er gab auch diese fatale Entwicklung über Funk weiter, erhöhte die Dringlichkeit seiner Anforderung um Unterstützung. Die Leitstelle in Casper versprach zwar Hilfe, doch bis zu deren Eintreffen würde noch viel Zeit vergehen. Zeit, die weder der Sheriff und seine Männer noch die Kinder in der Elementary School hatten.

 

»Ich bitte um die Genehmigung zum Eingreifen«, reagierte Chester auf die Horrormeldungen aus Riverton.

Lindsey nickte dankend, während sie weiter angespannt den Funkverkehr verfolgte. Ihre achtjährige Tochter Sarah befand sich an der Elementary School in Riverton. Zusammen mit ihrem Mann, dem Steueranwalt Cole, und der gemeinsamen Tochter lebte Lindsey in Riverton. Chester schilderte dem Einsatzleitoffizier in Fort Laramie die Lage und bat um Einsatzfreigabe für eine Rettungsmission mit dem Kampfhubschrauber. Die Antwort kam prompt.

»Abgelehnt, Hawk23! Ich wiederhole: Keine Einsatzgenehmigung für eine Rettungsmission! Bestätigen Sie, Hawk23.«

Fassungslos starrte Chester auf das große Display, in dem alle wesentlichen Funktionen seines Hubschraubers dargestellt wurden. Er konnte darin verschwommen sein eigenes Gesicht unter dem grauen Helm erkennen.

»Negativ! Wir sind die einzige bewaffnete Unterstützung für die Polizeikräfte in Riverton. Die schwer bewaffneten Männer bewegen sich in Richtung einer Elementary School mit fast hundert Kindern, die sie als Geiseln nehmen könnten. Bitte dringend um Einsatzfreigabe!«, wiederholte Chester mit drängender Stimme.

Er wollte nicht glauben, dass der Einsatzleitoffizier ihm diese Freigabe verweigerte. Wer sollte denn diesen Kindern zur Hilfe kommen, wenn nicht er mit dem Kampfhubschrauber?

»Abgelehnt, Hawk23! Kehren Sie unverzüglich zur Basis zurück und unterlassen Sie jede Einmischung in Riverton! Bestätigen Sie diesen Befehl!«, erklang sofort die kalte Stimme des Einsatzleitoffiziers.

»Was nun?«, fragte Lindsey kleinlaut.

Sie hatte die Ablehnung mit angehört und schaute mit verzweifelten braunen Augen in den Seitenspiegel, sodass Chester ihren Blick gut lesen konnte. Erneut drängte die Stimme des Einsatzleitoffiziers auf Bestätigung des Befehls zur Rückkehr auf die Basis. Chester hatte den Kurs des Apache Kampfhubschraubers unwillkürlich bereits vom ursprünglichen Flugkurs in Richtung Riverton geändert, während die beiden anderen Hubschrauber den ursprünglichen Heimatkurs weiterverfolgten. Der Ausdruck von Lindseys Augen gab den Ausschlag.

»Hawk23 an Sheriff Donovan! Bitte melden! Wir bieten Luftunterstützung mit einem Kampfhubschrauber an«, legte Chester sich fest.

Er hatte die Funkfrequenz geändert und sprach dann direkt mit dem hörbar überraschten Sheriff aus Riverton. Lindsey bereitete die Waffensysteme des Hubschraubers auf ihren Einsatz vor. Beide Piloten schalteten wieder ihr IHADSS (Integrated Helmet and Display Sight System = helmmontiertes Visier) ein, mit dem ihre Kopfbewegungen direkt in Befehle umgesetzt wurden.

Lindsey würde damit die 30-mm-Kettenkanone unter dem Rumpf des Hubschraubers präzise steuern können. In den vier Pylonen befanden sich noch acht AGM-114-Hellfire-Raketen, mit denen sie üblicherweise Panzer vernichteten. Diese gewaltige Feuerkraft veränderte die Ausgangslage in Riverton grundlegend, und möglicherweise reichte die Drohung des Einsatzes bereits aus, um die schießwütigen Gangster zum Einlenken zu bewegen. Auf jeden Fall würde der Kampfhubschrauber sich zwischen der Schule und den Gangstern positionieren.

 

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