Leseprobe – Nick – Albtraum Erde 2


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Kapitel 1: Meuterei

 

Seine Hände wirbelten über die Konsolen der Transitionsautomatik, nervös blickte er auf Messanzeiger und Kontrollleuchten. Die Oberfläche von Colour wurde auf dem Hauptbildschirm immer kleiner. Mit vernichtenden Strahlen würde man nicht auf ihn schießen. Dazu kannte er die Einstellung der Schiffsleitungen zu gut. Außerdem schützte ihn der bereits aktivierte Energieschirm. Aber er musste so schnell wie möglich den Einzugsbereich der anderen Raumer hinter sich lassen. Eine schnell berechnete Teleportation zu ihm in das Raumboot, der Einsatz entschlossener Sicherheits-Leute, und seine Flucht hätte schnell ein trauriges Ende gefunden. Und den Einsatz einer anderen Waffe ahnte er auch noch …

Dann blitzte es unvermittelt auf und der Flash expandierte zu einem bildschirmfüllenden, grellgelben Glühen.

Das war ein Traktorstrahl! So ein Mist!

Seine schlimmste Befürchtung hatte sich bestätigt. Jetzt blieb ihm nur noch ein sofortiger Blindsprung durch den Hyperraum – für eine sorgfältige Berechnung gab es keine Zeit mehr. Es ging um Sekunden. Die Knie zitterten wie Espenlaub. Das könnte das Ende bedeuten, aber es war ohnehin alles gescheitert und er hatte nichts mehr zu verlieren.

Seine Lippen verzogen sich zu einem bitteren, freudlosen Grinsen. Gescheitert! Ein einziges Desaster! Dabei war alles so perfekt vorbereitet.

Was ist da bloß schiefgegangen?

Keine Zeit zum Nachdenken. Er musste handeln. Ein flüchtiger Blick auf die Kontrollleuchten bestätigte ihm: Alle Systeme waren hochgefahren und liefen normal.

Schnell! Schnell!

Das Boot verlor bereits an Geschwindigkeit. Gleich würden die Strahlen einen Umkehreffekt bewirken, dann wäre alles verloren.

Jetzt! Aktivierung des Hyperantriebs. Eine warnende Stimme schrillte ohrenzerberstend aus dem Lautsprecher: »Achtung! Gefahr! Sie sind gerade im Begriff, ohne Berechnung einen Hypersprung vorzunehmen. Höchstes Risiko! Geben Sie die Zielkoordinaten ein!“

Er deaktivierte die Warnanlage, dann presste er seinen rechten Zeigefinger auf den Auslöser.

»Noch zehn Sekunden bis zum Sprung!« Eine weiche, androgyne Stimme füllte nervenberuhigend den kleinen Leitstand des Raumbootes aus. »Noch fünf Sekunden, vier … drei … zwei … eins! Jump-off!«

Das Bild auf dem Panoramaschirm änderte sich. Ein wolkenverhangener Planet wurde sichtbar, das Gleißen des Traktorstrahls war erloschen, die Flucht geglückt. Vor ihm eine etwa erdengroße Welt. Er war wieder in das vierdimensionale Raum-Zeit-Kontinuum zurückgetaucht. Seine Verfolger hatte er abgeschüttelt.

Aufatmen!

Aber jetzt wollte er wissen, was das für ein Himmelskörper war, der ihm aus dem Zentralmonitor milchig-weiß entgegenleuchtete. Ein Blick mit bloßen Augen auf die Oberfläche war nicht möglich, aber die Observer-Sensoren übermittelten bereits erste Daten: Eineinhalbfacher Erddurchmesser, Entfernung zu einer Sonne der Spektralklasse A mit zweifachem Umfang von Sol: einhundert Millionen Kilometer, Atmosphäre des Planeten: sauerstofffrei, Wasserstoff 60 %, CO2: 20 %, Methan: 12 %, der Rest sind Edelgase, Temperatur am Äquator: 80 °C.

Nicht sehr wirtlich.

Die Observer stießen mit Gasfilter und laserunterstützt durch die Wolken und ließen eine wässrig-trübe Oberfläche erkennen. Für Details müsste er eine Sonde auf die Oberfläche schicken. Aber lohnte sich der Aufwand? Eine depressive Stimmung bemächtigte sich seiner. Er war verloren im All, einsam, perspektivlos. Was sollte er machen? Hilf- und ziellos durch den Weltraum gondeln wie ein verlorenes Blatt auf dem Ozean? Immer auf der Suche nach einer neuen Heimat, wo er sich niederlassen konnte? Und dann? Sein Lebenstraum war zerronnen, geplatzt wie eine fragile Seifenblase, die bei der ersten sanften Berührung mit feuchtem Niederschlag ihren Geist für immer aufgegeben hatte.

Er ließ seinen Blick minutenlang auf dem Bildschirm verweilen. Das Boot war inzwischen auf eine Kreisbahn um diesen fremden Himmelskörper eingeschwenkt, der Planet war jetzt nahe dran, aber ihm nicht wirklich nahegekommen, und er konnte auch nicht ahnen, wie tödlich fremd sich diese Welt für den Menschen erweisen sollte.

Nein – das Gestirn war der Mühe nicht wert. Er würde weiterpilgern – aber jetzt mit Berechnung.

Gerade wollte er einen von der Raumerfassung registrierten

Stern in die Transitionsautomatik zur Berechnung der Zielvektoren für den Hypersprung eingeben, als er plötzlich ein Zittern in seinen Fingern vernahm.

Was war das?

Verdutzt betrachtete er seine Hände. Die Haut sah faltig und zerknittert aus, wie die eines Greises. Was war mit ihm passiert?

Er wollte sich von seinem Sessel aufrichten – es ging nur mit großer Mühe, und der erste Schritt bereitete ihm in den Gelenken unerträgliche Schmerzen. Sein Blick fiel auf einen nicht aktivierten Bildschirm, in dem sich sein Konterfei dunkel spiegelte – eine Schockwelle durchströmte seinen Körper und ließ ihn vor Entsetzen auf der Stelle erstarren.

Jetzt hatte er keine andere Wahl. Mit letzter Kraft und in den Knien immer schwächer werdend, schleppte er sich zur Hyperfunkanlage, seine Hände schlenkerten in unkontrollierten Kreisbewegungen über die Konsole, am ganzen Leib zitternd aktivierte er die Sendeautomatik und schickte einen Notruf in die Unendlichkeit, dann brach er röchelnd und laut aufschnaufend in sich zusammen. Mit dem Kopf stieß er gegen die Kante eines Tisches und verlor das Bewusstsein. Sofort umgab ihn tiefe Nacht.

 

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