Leseprobe – Das Logbuch der Silberkugel


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1.

Tiefer Purpur einer verlöschenden Sonne tauchte die Landschaft in merkwürdiges Licht. Die fernen Brücken und Bauten Sarkais schienen unwirklich, wie in einem Traum. Das Grün der Rasenflächen, der Büsche und der vielen Bäume war verwischt und gebrochen. Der große Wasserfall jenseits der Schlucht leuchtete intensiv. Es begann die Zeit, in der die dreißigstündige Nacht über Sarkai lag und alles Leben sich zurückzog.

Eine Kette großer Wasservögel flog über das Flachdach meines Hauses, und eine Minute später hörte ich das Wasser des kleinen Baches aufspritzen. Irgendwo schrie ein Tier voll Furcht. In der Stadt wurden die ersten Lichter angezündet. Sie rissen aus den rötlichgrauen Häuserblöcken kleine Vierecke und zeigten die breiten Straßen. Einige Lastfahrzeuge surrten über die Plattformen und verschwanden in der Weite der Landschaft rings um die Stadt. Sie fuhren Material und Maschinen in die öden Steppen, die sich jenseits des Äquatorgürtels zum Nordpol erstreckten und in denen der Sturm herrschte, der mit Milliarden winziger Sandkörner bisher jede Erforschung unmöglich gemacht hatte. »Und wir wissen noch so wenig!«, murmelte ich.

Sie fuhren und schwammen bis zu den Inseln in den flachen Meeren, auf denen noch die Urformen der Fauna und Flora herrschten, und die Männer in den Glaskabinen bauten dort Forschungsstationen.

Carnok ‒ dieser große, reiche Planet mit der kleinen Bevölkerung ist ungeheuer reich. Er ist reicher als die anderen, die von den irdischen Händlern besucht wurden. Er dreht sich als vierter um die große Sonne, und seine Lufthülle färbt die Strahlen der Sonne rot. Wir kennen dieses Licht nie anders als mit diesem seltsamen optischen Effekt.

Ich stand auf der weiten Terrasse meines Hauses und sah auf die Landschaft. Jeden Abend packt mich die unheimliche Stimmung des Sonnenuntergangs aufs Neue. Jetzt, da sich meine Gedanken stärker denn je mit der bevorstehenden Prüfung beschäftigen, bin ich für solche Eindrücke besonders empfänglich. Ich weiß nicht, woher unsere Rasse kommt. Unsere Vorgeschichte ist ein Nebel aus Halbwahrheiten und Sagen. Ich möchte auf alle meine Fragen Antwort bekommen, aber keiner meiner Lehrer kann sie mir geben. Wir haben zu viel vergessen in diesen langen Jahren der Entwicklung, die noch längst nicht abgeschlossen ist. Diese Jahre werden uns lange verfolgen, denn in uns sind noch alle ungeordneten Merkmale einer suchenden jungen Rasse, die viel kennt, aber immer noch nicht genügend, um klar zu sehen.

Wir suchen immer noch.

Unsere Kultur ist mühsam aus den kleinen Neuanfängen herausgearbeitet worden. Aber wenn wir erst Männer von irdischen Universitäten haben, dann können wir beruhigt sein. Die Erde ist unser großes Vorbild. Sie wird uns helfen, wo sie kann.

Mein Haus ist klein und besteht aus einem einzigen Raum. Es liegt größtenteils unter der Erde, und nur die Terrasse und die Treppe, die zum Bach hinunterführt, zeigen, dass hier jemand wohnt. Diese Abgeschlossenheit ist eines unserer typischen Merkmale, aber mir verhalf sie zu einem ruhigen und konzentrierten Studium.

Die Innenausstattung ist einfach, aber zweckmäßig und entbehrt nicht einer gewissen Gemütlichkeit. Ein kleines Heizgerät für die kalte Jahreszeit, eine Liege, auf der etwaige Besucher Platz finden und auf der ich schlafe, ein Nachrichtengerät und ein offener Herd. Auf dem Boden liegen aneinandergenäht die Felle meiner Jagdtiere, die ich in den letzten Jahren geschossen habe, und einige eingebaute Schränke nehmen die Vorräte auf. Der Schreibtisch ist eine große Platte auf Holzfüßen, und in einem Regal liegen die unzähligen Rollen meiner Aufzeichnungen und stehen einige Bücher, die ich auf einem terranischen Handelsschiff eingetauscht habe und die mir ermöglichten, Sprache und Schrift der Erde zu lernen und viele der dort herrschenden Lebensgewohnheiten kennenzulernen. »Es wird Zeit, wieder mit der Arbeit anzufangen!«, sagte ich laut.

Die Nacht kam, und sie fiel mit dem lautlosen und blitzschnellen Übergang, der in der Tropenzone charakteristisch ist. In Sarkai flammten die Lichter auf. Eine Viertelmillion Carnoks lebten verstreut in diesem Tal. Nur wenn die große Sirene heulte, dann versammelten sie sich auf dem großen Platz vor dem Tempel. Der Wasserfall wurde von einer Reihe Scheinwerfer angestrahlt, und die ewige Wolke aus Wasserdampf leuchtete in kristallischem Weiß. Irgendwo raste ein schwerer Erztransporter über die Leitschienen der Hochstraße. Seine Lichter wurden von der Nacht verschluckt.

Ich trat ins Haus zurück und schloss die runde Tür zwischen der nächtlichen Kühle und mir. Das Nachrichtengerät wurde eingeschaltet, und das Gesicht der Sprecherin verdichtete sich auf dem Schirm. Auch das Fernsehen hatten wir von der Erde eingehandelt.

Ich betrachtete das Gesicht des Mädchens. Als Antlitz eines Menschen wäre es ungeheuer missgestaltet gewesen, denn es hatte ein spitzes Kinn und einen winzigen Mund. Die weit auseinanderstehenden Augen mit den waagerechten Schlitzpupillen und die kleine Nase waren nicht menschlich, ebenso die Kappe langen Haares, das die Löcher der Gehöröffnungen verdeckte und am Hals in ein seidenweiches Fell überging, das den gesamten Körper bedeckte. Die Arme verfügten über drei Gelenke und sieben Finger auf einer Hand, die mit langen, scharfen Krallen aus stahlhartem Horn versehen waren.

Das Mädchen trug die leichte Lederkleidung, die hier überall anzutreffen ist. Es war so angenehm anzusehen, wie nur eine Angehörige unserer Rasse. Der aufrechte Gang, der Besitz eines ähnlichen Hirns und der Stoffwechsel sind die einzigen Ähnlichkeiten, die uns mit Terra und ihren Kolonialplaneten verbinden.

Ich schaltete den Sender aus und nahm eine der vielen Rollen aus einem Fach. Ich wiederholte zum hundertsten Male ein besonders schwieriges Stück der terranischen Grammatik. Langsam rutschte das Pergament unter der Lupe vorwärts. Draußen bewegte der Wind die Blätter der Kugelbäume und ließ Schleier von wogendem Gras entstehen. Er kräuselte die Oberfläche des Sees, der sich unterhalb meiner Terrasse im Bach aufgestaut hatte. Ich lernte lange, und als ich müde zu werden begann, nahm ich mein Essen ein.

Es bestand aus dem letzten Stück des kalten Bratens und Brot. Der Braten war das Ergebnis meiner Jagd vor einer Woche. Wir mussten unser Essen teilweise selbst herstellen oder erjagen, denn noch hatten wir keine entsprechende maschinelle Möglichkeit, die dazu gereicht hätte, die Viertelmillion zu versorgen. Alles war noch locker und unzusammenhängend ‒ wir waren jung.

Was sind zwei Jahrtausende?

Aber es war viel geschehen in diesen Jahren. Meine Rollen, die jeden Abschnitt der Geschichte intensiv behandelten, zeigten viele Einzelschicksale, die für das Wachsen der Carnoks entscheidend gewesen waren; es gab wenig planetare Geschichte ‒ keine Zusammenhänge großen Formats.

»Eines Tages werde ich das Buch meines Volkes schreiben, und es wird sehr umfangreich werden«, sagte ich zu mir.

Morgen musste ich versuchen, ein Stück Wild zu erlegen, musste ich früh aufstehen und hinaus vor die Grenzen der Stadt reiten. Das Wild zog sich vor dem Arbeitslärm und den vielen fremden Wesen immer weiter zurück. Die Jagdgründe waren jetzt schon mindestens zwanzig Tregs entfernt. Ich löschte das Licht und legte mich hin. Bald schlief ich ein.

Die ersten Strahlen der Sonne ‒ silberne Dolche, die hinter der Stadt hervorschossen aus dem Dunst der Nacht ‒ weckten mich.

Ich lief die Stufen zum Wasser hinunter und sprang hinein. Sekunden später schwamm ich in langen Stößen und erfrischte mich. Der letzte Rest Müdigkeit wurde aus meinem Körper getrieben. Nach dem kurzen Frühstück schlüpfte ich in das leichte Gewand der Jäger. Feine Stiefel mit Fellfutter, dünnes Wildleder mit langen Fransen und die Jacke mit den Taschen für Munition, Schlingen und Messer. Ich nahm die einzige Waffe des Hauses ‒ ein langläufiges Elektronengewehr irdischen Fabrikats, das mein Vater gegen ein kleines Vermögen an Pelzen eingetauscht hatte ‒ aus dem Schrank und sah sie flüchtig durch. Die Waffe war in Ordnung; ich konnte aufbrechen. Meine Nerven spannten sich. Ich freute mich auf die Schnelligkeit der Jagd, die meine ganze Fähigkeit erforderte.

Ich ließ die Tür offen ‒ eine geschlossene Tür während einer kurzen Abwesenheit stellte in Sarkai eine Beleidigung dar, die nur der Tod löschen konnte. Ich ging um den Winkel des Hauses herum und betrat den Stall, in dem mein Loper stand. Er war ein Männchen und wild. Seine Gerissenheit und Tücke überstieg die normalen Merkmale seiner Artgenossen um ein Vielfaches. Nur einen Herren erkannte er an, und das war ich. Nur musste man ihm von Zeit zu Zeit beweisen, wer hier die Zügel führte. Er hatte die Vorteile und die Nachteile eines Rassetieres ‒ Höchstleistungen und Launen.

Ich hatte ihn auf einer Versteigerung für wenige Kredite erstanden, weil sich keiner meiner Freunde an ihn herantraute. Aber als Sohn eines Jägers wusste ich, was diese Tiere brauchten. Sie gehorchten nur dann, wenn man sie restlos unter Kontrolle hatte.

Sein Anblick konnte zunächst erschrecken. Aber die Muskelstränge, die unter der glatten Haut der vier schlanken Beine arbeiteten, konnten dem Loper eine beachtliche Geschwindigkeit verleihen. Die blitzenden Fangzähne des lang gestreckten Kopfes waren gefährlich scharf. Ich war lange nicht mehr geritten, und der Loper war ausgeruht und voller Unruhe. Er würde, sobald ich eine Sekunde lang unaufmerksam war und ihm Gelegenheit dazu gab, sogar seinen eigenen Herrn anfallen. Ich zog an dem Lederriemen, der seinen Kopf mit einem Balken verband, und presste seinen Unterkiefer flach auf das Holz. Beißen konnte Grinn ‒ so hatte ich ihn genannt ‒ nicht mehr. Dann schob ich die Eisenstangen zwischen dem Gitter des Vorschlages durch und brachte die Füße in eine Lage, in der er sie nicht mehr bewegen konnte, schnallte in aller Ruhe den hochgestützten Sattel um, befestigte die Steigbügel und schraubte die Sporen in meine Stiefel. Das Schwierige war, ihm die Zügel anzulegen. Ich musste heute den Doppelzügel gebrauchen, denn sonst biss er auf die Trense und ging durch. Mit der scharfen Kandare konnte ich ihn im Zaume halten. Endlich konnte ich das Gewehr in die Lederhülle stecken und das Lederband lösen. Die vordere Tür klappte herunter, und ich schwang mich in den Sattel. Mit einem Riesensatz stürmte Grinn ins Freie und preschte durch die Büsche. Das war jedes Mal sein erster Trick, um mich loszuwerden.

Aber nach fünf Tregs hatte ich ihn mithilfe der Sporen und des Zügels, der ihm den Kopf auf den Hals bog, unter Kontrolle gebracht.

Ich ritt langsam weiter. Meine Augen, die von meinem Vater gelernt hatten, wie man auf flüchtendes Wild aufmerksam wird ‒ durchforschten den Niederwald. Hier wagte sich noch manchmal ein kleines Tier her, aber ich musste noch weiterreiten, um zum Schuss zu kommen. Fünf Tregs weiter draußen, als bereits der Hochwald begann, sah ich ein Rudel Auhnas. Ich prüfte den Wind und suchte mein Opfer aus, einen fetten, jungen Bock.

Schließlich musste ich eine gewisse Zeit von seinem Fleisch leben. Grinn setzte über einen breiten Graben und stand dann still, während ich das Gewehr aus der Hülle zog und entsicherte. Die Jagd mit dem Bogen, wie sie noch bis vor einigen Jahrzehnten gehalten wurde, war ein entschieden mühsameres, aber interessanteres Geschäft.

Gut gedrillt, stand Grinn wie ein Denkmal. Dann, als ich ihm mit den Schenkeln einen Befehl gab, brüllte er auf. Einen Moment war das Rudel erstarrt, dann löste es sich in panischer Angst auf. Ich hatte, noch ehe sie sprangen, geschossen. Aber mein Bock war nicht getroffen und raste in einem beachtlichen Tempo durch die Büsche davon. Ich repetierte und ließ die Zügel los. Grinn fuhr auf und galoppierte in einer flachen Kurve dem Bock nach. In uns waren die Instinkte erwacht: in ihm die seiner Rasse als Raubtiere der Wälder, und in mir die einer alten Jägerfamilie. Wir fieberten dem Ende der Hetzjagd entgegen. Der Bock war außerhalb der Sicht, aber seine Spur verrieten die federnden Büsche und die Abdrücke im taufeuchten Gras. Der Ritt wurde schneller; Grinn holte das Letzte aus sich heraus. Wir übersprangen breite Gräben, schossen durch das Unterholz, das unter der Wucht von Grinns schwerem Körper zusammenbrach, und ich stand in den Bügeln, wenn er über kleine Lichtungen hetzte. Das hellbraune Fell des Bockes tauchte auf, ich brachte mein Gewehr in eine günstige Position. Wir mussten uns wieder der Stadt nähern, denn wir hatten bis jetzt einen großen Bogen geschlagen. Der Wald wurde spärlicher, und ich schoss einmal. Wieder verfehlte ich das flüchtende Tier, und Grinn lief erneut an. Ich stieß ihm die Sporen in die Flanken und gab den Zügel frei. Jetzt war es an mir, meine Künste zu zeigen. Kaum einer meiner Freunde konnte sich auf einem Loper halten, wenn er frei und in dem typischen geschmeidigen Galopp der Raubtiere dahinraste.

Die Grasfläche wurde wieder durch ein kleines Wäldchen abgelöst, und wir verloren an Geschwindigkeit. Grinn sprang im Zickzack durch die Stämme, und an einen Schuss war nicht zu denken. Der Wald stand isoliert da, und rings um ihn dehnte sich eine Grasfläche aus. Der Hügel vor uns trug die Reste eines Schiffes, unseres planetaren Denkmals. Ich riss den Loper herum, und wir beschrieben einen großen Kreis um den Wald. Nirgends war der Bock zu sehen.

Ich schloss den Kreis einer vollkommenen Umrundung des kleinen Wäldchens ab und hatte gesehen, was ich wissen wollte: Keine Spur führte unter den Bäumen und zwischen den verschlungenen Büschen wieder heraus ‒ das Tier musste noch dort drin stecken. Ich ritt langsam von der Rückseite hinein und hielt das Gewehr so, dass ich jederzeit schießen konnte. Aber ich vernahm kein Geräusch, nicht das Brechen der Sträucher, durch die sich der flüchtende Bock einen Weg bahnen musste. Der Loper brummte widerwillig auf, als ich ihn in einen kleinen verwaschenen Pfad drängte, und er stutzte und schüttelte sich. Ich stieß ihm die Sporen hinein und riss an der Kandare. Da entschloss er sich, langsam weiterzutraben. Der Pfad, überhangen von dünnen Lianen, mündete in einer kleinen Senke, die feucht und morastig war. Hier zeichneten sich die Spuren des Bockes wie gestochen ab.

Langsam und immer langsamer ging Grinn voran. Ich musste alle meine Künste anwenden, um ihn vorwärtszubringen. Schließlich entdeckte ich die Ursache seiner Ängstlichkeit: Die Spuren verloren sich in einer Höhle.

Es war ein Eingang, der aus gemauerten Quadern bestand und aus einem Felsenstück, das den oberen Abschluss des Portals bildete. Kühle, ungesund riechende Luft schlug mir entgegen. Ich hielt an und kramte in der Satteltasche. Eine kleine Fackel und das Feuerbesteck zog ich heraus ‒ knisternd begann eine helle Flamme zu brennen. Mit aller Kraft zwang ich den Loper in die Höhle hinein. Der Schein der Fackel wurde von der stumpfen Oberfläche der verfugten Steingänge aufgesogen. In den Ritzen nahe des Eingangs wuchs noch kümmerliches Moos. Ich hatte den Lauf der Waffe in der Armbeuge und war bereit, jeden Augenblick abzudrücken. Nach weiteren Schritten sahen mir zwei Augen entgegen, in denen sich die Fackel spiegelte.

Ich erledigte den Bock. Das Fauchen der Waffe hallte in dem Gewölbe.

Der Loper scheute und stieg hoch. Ich zwang ihn vorwärts und in einem Satz über das tote Tier. Das letzte Stück des geraden Ganges legten wir nur im Scheine des Lichts zurück, der viereckige Eingang ließ sich nur in der Ferne ahnen, als ich mich umwandte. Der metallische Geruch der knisternden, kalten Fackel machte das Tier nervös.

Dann ‒ mit der Plötzlichkeit überraschender Ereignisse ‒ war der Gang zu Ende. Das Licht spiegelte sich in einer glänzenden Tür. Grinn scheute vor seinem Spiegelbild, und ich erkannte meine angespannten Züge in der glatten Platte. Die Tür war viereckig, flach, und bot nur in der Mitte einen Berührungspunkt, eine Klinke, die in einer Vertiefung lag. Ich dirigierte den Loper vorwärts, er machte eine halbe Drehung, und seine Flanken pressten meinen Fuß an das eisige Metall.

Ich beugte mich aus dem Sattel und versuchte, die Klinke zu drehen. Sie ließ sich nicht bewegen, und die Erkenntnis dessen, was ich hier entdeckt hatte, überwältigte mich.

Nun wusste ich mehr!

Hier ‒ über uns ‒ stand das Schiff. Es war unser nationales Heiligtum, die Arche unseres Glaubens. Sein Unterteil war unter dem Hügel verborgen, und die Tür stellte durch den Gang die einzig mögliche Verbindung mit der Außenwelt her. Man musste den Gang gemauert haben, als man dieses Denkmal baute. An hohen Festtagen übernahm eine Batterie von Scheinwerfern in verschiedenen Farben die Beleuchtung des Kolosses. Dann, im Laufe zweier Jahrtausende, vergaßen wir diesen Gang. Nicht eine einzige Notiz hatte sich in den Geschichtsrollen wiedergefunden. Ich konnte diese Behauptung aufstellen, denn jede geschriebene Zeile unserer Geschichte hatte ich gelesen. Weder ich noch meine Lehrer wussten von dieser Tür und diesem Gang. Mein Gefühl sagte mir, dass ich mein Thema für die Beendigung meines Studiums gefunden hatte.

Ich wandte den Loper herum. Wir verließen den Ort. Ich würde die Tür öffnen, die seit nahezu zweitausend Sonnenumläufen geschlossen gewesen war.

 

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